Buchempfehlung: Die Wahrheit über weibliche Depression

Eingeschränkte Empfehlung

Zu dem Buch „Die Wahrheit über weibliche Depression“ kann ich nur eine eingeschränkte Empfehlung geben. Ich stehe dem ehrlich gesagt etwas zwiegespalten gegenüber, will aber meine Erfahrungen bzw. meine Meinung mit Euch teilen.

Worum geht es?

Die nicht unumstrittene Dr. Kelly Brogan ist eine amerikanische Psychiaterin, die einen sehr klaren Standpunkt vertritt. In einem Satz frei zusammengefasst: „Depressionen entstehen nicht (durch ein Ungleichgewicht) im Hirn, sondern durch andere körperliche Probleme“. Zu diesen körperlichen Problemen zählt sie u. a. falsche Ernährung, Autoimmunerkrankungen und Entzündungen im Körper. Sie ist ein großer Feind der Schulmedizin und damit auch von Pharmazeutika wie Antidepressiva. Ihrer Meinung nach brauchen Depressionen nicht in erster Linie Medikamente und Therapie sondern eine Ernähungsumstellung, Präparate und eine „Lebensstiländerung“.

Das Buch richtet sich dabei vor allem an Frauen mit depressiven Symptomen. Das Buch ist mit ca. 450 Seiten nicht mal eben gelesen – schon gar nicht, wenn man sich auch noch alle mitgelieferten Studien angucken will.

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Studien, Studien und noch mehr Studien

Das Buch ist nicht für absolute Laien geschrieben und erfordert u. U. etwas Recherche nach Begriffen oder Zusammenhängen, die sie einfach voraussetzt. Auch ein grundlegendes Verständnis von Statistik bzw. dem Aufbau von Studien ist nützlich – allerdings nicht zwingend nowendig.

Was ich sehr gut finde, ist dass sie viele ihrer Behauptungen auf eine Menge an Studien stützt. Das ganze Buch verweist immer wieder auf unterschiedliche Studien, im Anhang gibt es ein langes Register mit Quellen. Ich muss zugeben, dass ich mir die Studien nicht angeschaut habe, warum erkläre ich später.

Das Buch ist für Skeptiker geschrieben und die meiste Zeit gut argumentiert, Allerdings gibt es auch einige Stellen, in denen sie Behauptungen aufstellt, die sie nicht belegt – vermutlich, weil sie es nicht kann. Auch wenn sie selbst so viel Wert auf das genaue Auswerten und kritische Betrachten von Studien legt, scheint es mir, als würde sie das nicht bei allen Themen machen.

Manche Aussagen finde ich sehr fragwürdig und ich habe mindestens eine Aussage gefunden: „Der Hippocampus ist der Sitz des Gedächtnis“ – die schlichtweg falsch ist. Ohne die ganzen Studien überprüft zu haben, frage ich mich, was noch alles nicht stimmt oder nur ihrer eigenen Meinung entspricht.

Meine Erfahrung beim Lesen

Ich habe das Buch mit Begeisterung begonnen und enttäuscht beendet. Es enthält viele interessante Fakten und gute Denkanstöße, allerdings auch einige fragwürdige Meinungen und ein für mich nicht befriedigendes Fazit.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste enthält sehr viele Informationen: Fakten und Denkanstöße. Dazu zählen Informationen über die Langzeitwirkung von Antidepressiva, über die Zulassung von Medikamenten und schädlichen Stoffen durch die FDA in Amerika, Umweltgifte und vieles mehr, was mit Depression zu tun hat. Dieser Teil hat mich wirklich angeregt und dazu geführt, dass ich einige Dinge hinterfragt habe. Zum Beispiel geht sie viel auf Glyphosat als schädliches Pesitizid ein und warum man es unbedingt vermeiden sollte. Ihr Hauptthema sind allerdings die Antidepressiva (SSRI) , deren Wirkung sie stark anzweifelt. Außerdem schreibt sie über kaum erforschten Langzeitfolgen und Studien, in denen bestimmte SSRI nicht besser halfen als Placebos.

Der zweite Teil ist der praktisch angelegt, aufbauend auf der vorangegangenen Theorie. Hier kommt eine Anleitung zur Lebensstilveränderung. Der wichtigste Teil ist die Ernährungsumstellung, dazu kommt das Meiden von Umweltgiften wie Glyphosat, Fluoride und BPA, regelmäßiger (Ausdauer-) Sport und Meditation bzw. Yoga.

Sie gibt außerdem Empfehlungen darüber, welche Bluttests man machen sollte, um andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen, wie z. B. Depression, Schilddrüsenunterfunktion, Autoimmunerkrankungen u. Ä. auszuschließen. Dazu ist zu sagen, dass viele davon IGEL Leistungen sind und damit selbst gezahlt werden müssen. Kosten liegen bei ca. 300€.

Die Ernährungsumstellung war der Teil, dem ich gar nichts abgewinnen konnte. Ich habe es im Theorie-Teil schon kommen sehen und seit dem die Begeisterung für das Buch verloren. Deshalb habe ich mich auch nicht weiter mit den Studien beschäftigt, weil mir schon klar war, dass ich ihr 30-Tage Selbsthilfeprogramm nicht würde umsetzen können. Veganer und Vegetarier haben hier nämlich verloren. Sie empfiehlt neben Verzicht auf Getreide- und Milchprodukte eine große Menge tierischer Produkte. Und damit meine ich nicht nur Fleisch und Fisch, sondern auch Präparate wie Bauchspeicheldrüsen-Pulver oder Leber-Pulver, Gelatine usw. vom Tier als Nahrungsergänzung. Ich glaube, da werden sich auch die ein- oder anderen omnivoren Leser mit schwer tun.

Neben der ethischen Frage kommt dazu, dass sie diese Empfehlung in keinster Weise mit Studien stützen kann. Sie selbst hat das als Vegetarierin für sich entdeckt, weil ein Professor fünf Urvölker beobachtet und ihre Gemeinsamkeiten notiert hat. Sie hatten alle gemein, dass sie Tier aßen und wenig oder keine Krankheiten wie Depression, Parkinson o. ä. hatten. Das war für sie der Beweis, dass tierische Bestandteile der Schlüssel sein müssen. Allerdings gibt es keine richtige Studie und auch keinen Hinweis unabhängig von den Beobachtungen des Professors, die das belegen. Sie lässt außerdem völlig außer Acht, dass es noch mehr Urvölker gibt, von denen auch einige vegetarisch leben.

An dem Punkt habe ich also das Interesse verloren und glaube, dass man ihre Aussagen mit Vorsicht genießen muss. Trotzdem gibt es auch einige spannende Themen, die einen zum Nachdenken anregen.

Fazit

Wie zu Beginn gesagt, kann ich nur eine eingeschränkte Empfehlung geben. Das Buch kann Menschen mit Depressionen oder leichten Verstimmungen sicherlich ein paar wertvolle Tipps und Denkanstöße geben. Allerdings sollte man kein Heilmittel erwarten und alle Inhalte sorgfältig selbst überprüfen. In keinem Fall – und das ist sehr wichtig – kann das Buch eine Therapie oder Zusammenarbeit mit einem Psychiater ersetzen!

Was ich sehr schwierig und fast verantwortungslos finde ist ihre Meinung, dass Depression generell nicht im Kopf, sondern anderswo im Körper entsteht und infolgedessen auch hauptsächlich über den Körper geheilt werden muss. Auch wenn einige ihrer Lebensstiltipps wie Sport, Meditation usw. sicherlich unterstützend wirken und Antidepressiva auch nicht ohne genaue Abwägung genommen werden sollten, glaube ich nicht, dass man allen depressiven Menschen mit ihrem Programm heilen kann.

Ich finde es eher verwirrend und irreführend, dass sie das behauptet. Laut ihrer Aussage sollten alle Menschen mit Depressionen sich nach dem 30-Tage Selbsthilfeprogramm deutlich besser fühlen und fast alle Symptome deutlich gelindert oder gar verschwunden sein. Es gibt Menschen mit depressiven Symptomen möglicherweise ein falsches Bild und falsche Hoffnung. Im schlimmsten Fall kann es dazu führen, dass eine ernsthaft an Depression erkrankte Person nicht zum Therapeuten und/ oder Psychiater geht, weil das Buch sie davon überzeugt, dass sie nur auf Gluten verzichten müssten, um wieder gesund zu werden. Das Buch stachelt auch dazu an, alles was die Schulmedizin behauptet abzulehnen und den Ärzten gar nicht mehr zu vertrauen. Das ist allerdings schwierig, wenn eine Kranke Person auf deren Hilfe angewiesen ist und keine wirkliche Alternative hat.

Was sagt Ihr dazu? Hat jemand von Euch dieses Buch vielleicht auch gelesen und eine andere Meinung? Hat jemand dieses Selbsthilfeprogramm ausgetestet und kann die Erfahrungen teilen? Ich freue mich auf Eure Rückmeldung!

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