Das Posturale Tachykardie Syndrom (POTS)

Das Posturale Tachykardie Syndrom (POTS) ist eine Störung des autonomen Nervensystems. Es trifft häufig gepaart mit anderen Erkrankungen wie ME/CFS, Long Covid und anderen postviralen Krankheiten auf. POTS ist eine Unterform der Dysautonomien und hat keinen eigenen Diagnoseschlüssel. Stattdessen wird POTS im ICD-10 unter “Orthostatische Dysregulation (I95.1)” eingeordnet. Orthostatisch bedeutet die aufrechte Körperhaltung betreffend, während sich die Dysregulation auf den Kreislauf bezieht. Ein Verein, der sich in Deutschland für POTS Betroffene einsetzt, ist der „POTS und andere Dysautonomien e. V.“

Typische Symptome 

Ein ausschlaggebendes Symptom ist die Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei aufrechter Körperhaltung. Das bedeutet umgekehrt, dass die Symptome im Liegen wieder nachlassen. Der Kreislauf ist gestört. Das Blut versackt dabei häufig in Beine und Bauch und kann nicht mehr ausreichend in die obere Körperhälfte, insbesondere in Herz, Lunge und Kopf, gepumpt werden. Der Puls ist dabei unverhältnismäßig hoch, wobei der Blutdruck gleichbleibend ist. Das kann zu Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Schwäche, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten sowie, in stärkeren Fällen, zur Ohnmacht führen. Es können Schwellungen in Beinen und Füßen auftreten, auch Übelkeit, Bauchschmerzen, Herzrasen und -stolpern (Palpitationen) sind typische Symptome. Hitze und körperliche Aktivität können die Beschwerden verstärken.

Die Symptome können zu einer starken Beeinträchtigung im Alltag führen. Patienten mit einer stärkeren Ausprägung können häufig nicht lange aufrecht sein und müssen einen Großteil der Zeit liegend verbringen. Manche sind auf Hilfsmittel wie einen Rollstuhl oder Gehstock angewiesen, weil ihr Gang zu unsicher ist und sie ohne diese einer erhöhten Sturzgefahr ausgeliefert sind. Die Folge kann eine eingeschränkte oder vollständige Arbeitsunfähigkeit sein.

Diagnose

Für die Diagnose sind hauptsächlich Kardiologen und Neurologen zuständig. Es gibt zwei gängige Tests, die hier Anwendung finden: Den Kipptisch Test und den Schellong Test. Der Kipptisch Test ist sehr belastend und wird bei starken Symptomen und insbesondere bei ME/CFS nicht empfohlen. Der Schellong Test ist für viele auch sehr anstrengend aber deutlich sanfter. Es gibt auch eine abgewandelte Form des Schellong Test, den Du zu Hause durchführen kannst: Den NASA Lean Test. Wenn Du für dich herausfinden willst, ob Du an POTS leidest, dann ist dies der schnellste und sanfteste Weg. Alles was Du dafür brauchst, sind ein Blutdruckmessgerät, Zettel und Stift, ein Bett und eine Wand. Es könnte nützlich sein, jemanden dabei zu haben, der dir beim Messen und Notieren hilft.

Selbsttest

NASA Lean Test:

  • Zunächst misst Du deinen Blutdruck und Puls im Liegen. Stelle dabei sicher, dass du lange genug liegst, bis dein Puls sich wirklich beruhigt hat und durchschnittlich niedrig ist. Notiere die Werte!
  • Dann stellst Du dich hin. Du darfst dich dabei mit dem oberen Rücken leicht gegen eine Wand lehnen. Jetzt misst du 10 Minuten lang jede Minute deinen Puls und Blutdruck und notierst die Werte.
  • Wenn dein Puls innerhalb dieser 10 Minuten um mindestens 30 bpM steigt, während dein Blutdruck etwa gleichbleibend ist, hast du POTS.
  • Sollte dein Blutdruck absinken, handelt es sich nicht um POTS sondern um eine andere Dysautonomie.
  • Wenn Du die 10 Minuten nicht durchhalten kannst oder der Puls schon vorher um 30 bpM gestiegen ist, kannst Du schon vorzeitig abbrechen.

Behandlung

Behandelt wird POTS üblicherweise durch Konditionstraining und Muskelübungen. Ist das möglich, besteht eine gute Chance der Heilung. Leider ist das für Betroffene mit ME/CFS oft nicht so einfach, da ein solches Training sie überlastet. Hier gilt die Devise: Mach so viel wie möglich und so wenig wie nötig, ohne deine Grenzen zu überschreiten. Viele Übungen können auch liegend im Bett gemacht werden und selbst kurze Einheiten wirken POTS entgegen. Jegliche Form von Bewegung ist generell hilfreich gegen POTS, während Bewegungslosigkeit die Symptome noch verstärken kann. Im folgenden findest Du noch ein paar Tipps, die (je nach Schweregrad) auch mit ME/CFS umsetzbar sind und POTS entgegenwirken.

Übungen

Üblicherweise werden für POTS Übungen empfohlen, die den Kreislauf trainieren, ohne den Puls zu sehr zu erhöhen. Das ist z. B. beim Fahrradfahren oder Rudern der Fall. Auch Muskeltraining für Beine und Po wird empfohlen, weil die Muskeln dafür zuständig sind, die Blutgefäße zu verengen und das Blut wieder nach oben zu befördern.

Vielen mit ME/CFS wird das nicht ohne Weiteres möglich sein. Hier findest Du ein paar sanftere Übungen. Welche Übungen möglich sind, sowie die Häufigkeit und Dauer kannst Du täglich an deinen Zustand anpassen:

  • Spanne im Liegen deine Beine an und kneife deine Pobacken zusammen
  • Hebe im Liegen abwechselnd die Beine an und halte sie einen Moment lang
  • Fahre im Liegen Luftfahrrad
  • Mache Übungen zur Muskelkräftigung, insbesondere für Beine und Po, z. B. den Stuhl (im rechten Winkel “sitzend” mit dem Rücken an die Wand lehnen und halten)
  • Nutze ein Ergometer oder Pedaltrainer (geht im angelehnten Sitzen)
  • Mache kleine, langsame Spaziergänge mit Pausen
  • Jede Form von Bewegung innerhalb deiner Grenzen ist hilfreich

Wenn dir keine der Übungen möglich sind, versuche es erstmal mit Hilfsmitteln, Medikamenten und NEMs sowie den weiteren Tipps.

Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel (NEMs)

Betablocker können den Puls senken und helfen einigen Betroffenen sehr. Dazu muss dein Arzt bereit sein, dir diese Medikamente zu verschreiben. Gerade bei jüngeren Patient wird das auf Grund der Nebenwirkungen eher ungern getan.

Experten empfehlen außerdem, morgens und abends Elektrolyte zu sich zu nehmen. Außerdem wird eine erhöhte Salzzufuhr empfohlen, hier schwanken die Angaben zwischen 5 und 12 g täglich. Salztabletten können gekauft werden, noch günstiger ist es, sie mit einem Kapselgerät und Salz selbst herzustellen. Zusätzlich sollten täglich mindestens 3 Liter Wasser am Tag getrunken werden. Durch Wasser und Salz soll das häufig verringerte Plasmavolumen erhöht werden, was wiederum den Kreislauf stabilisieren soll.

Gegen Übelkeit und Magenschmerzen kann Kamillentee helfen, ansonsten gibt es auch auch freiverkäufliche Medikamente wie Pantoprazol oder Vomacur.

Das Nervensystem beruhigen

Da es sich bei POTS um eine Störung des autonomen bzw. vegetativen Nervensystems handelt, können Übungen zur Beruhigung des häufig gereizten Systems helfen. Dafür kommen u. a. Meditation, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training aber auch Aufenthalte in der Natur oder angenehme Musik in Frage. Auch die bewusste Stimulierung des Vagusnervs, dem Hauptnerven des vegetativen Nervensystems, kann Linderung bringen. Es gibt viele Übungen für den Vagusnerv, u. a. Massieren der Ohren und des Halses unterhalb der Ohren, Summen, Singen oder Geräte, die den Nerv mit Vibration und Klang stimulieren.

Hilfsmittel

Ein besonders wichtiges Hilfsmittel sind Kompressionsstrümpfe und -strumpfhosen. Experten empfehlen, mindestens Schenkelstrümpfe, besser noch Strumpfhosen zu tragen. Je mehr Kompression Du erfährst, desto mehr wird dein Puls gesenkt. Du kannst dir zwei Paar pro Jahr rezeptieren lassen. Dabei brauchst du die Kompressionsklassen (CC) 2. Ob Du eine offene oder geschlossene Fußspitze wählst, hängt davon ab, ob deine Zehen anschwellen und was Du gemütlicher findest. Es gibt viele tolle Farben und auch die Möglichkeit, gegen Aufpreis weichere Stoffe zu bekommen. Wenn es finanziell möglich ist, sind weichere Stoffe unbedingt zu empfehlen, weil sie das Anziehen erleichtern. Bei Schenkelstrümpfen können Gumminoppen am Haftband sehr hilfreich sein, weil sie das Abrutschen verhindern. Generell solltest Du dich von deinem Sanitätshaus beraten lassen. Deren Mitarbeiter können dich auch zu Hause besuchen, um dich zu vermessen und zu beraten. Lass dir am besten gleich Stoffproben mitbringen.

Zusätzliche rezeptfähige Hilfsmittel können das Anziehen erleichtern, wie z. B. Gummihandschuhe und eine Anziehhilfe (auch Engel oder Butler genannt). Das Anziehen ist gar nicht so einfach und kann sehr erschöpfend sein. Es kann durchaus eine Weile dauern, bis Du hier den Dreh raus hast. In diesem Video zeige ich Dir, wie Du eine Kompressionsstrumpfhose oder Schenkelstrümpfe am besten anziehen kannst. Die Strümpfe sollten den ganzen Tag getragen werden, insbesondere bei aufrechter Haltung. Nachts sollten sie abgelegt werden.

Wenn Du häufig an starkem Schwindel, Gangunsicherheit oder sogar Ohnmachtsanfällen leidest, können weitere Hilfsmittel wie ein Gehstock, Rollator oder Rollstuhl sinnvoll sein. 

Eine generell sinnvolle Anschaffung ist eine Pulsuhr. Diese kannst Du auch wunderbar fürs Pacing einsetzen, egal ob für ME/CFS, POTS oder andere Erkrankungen. Einige Uhren bieten sogar die Möglichkeit, dich warnen zu lassen, wenn der Puls zu hoch steigt. Das kann sehr nützlich sein, weil man den zu hohen Puls nicht immer sofort bemerkt. Zu hoch ist in diesem Fall üblicherweise oberhalb der anaeroben Schwelle (AS). Das ist der Punkt, bei dem wir mehr Energie verbrauchen, als wir durch die Aktivität generieren können. Oberhalb dieser Schwelle zu sein ist für den Menschen schädlich. Bei ME/CFS, POTS und anderen Krankheiten ist diese Schwelle erniedrigt. Um deine AS zu berechnen, kannst Du die Formel (220 – Alter) x 0,6 nutzen. 

Es gibt verschiedene Uhrenanbieter, häufig genutzt werden Fitbit, Apple Watch und Polar. Für die Fitbit (Ich habe und liebe die Versa 3) gibt es eine App namens “HR Pacing”, die genau für unsere Bedürfnisse ausgelegt ist. Wenn der Puls die AS erreicht, vibriert sie. Dadurch wird deutlich gemacht, dass eine Pause benötigt wird.

Weitere Tipps

Um die Gefäße zu trainieren, bietet Wechselduschen eine gute Möglichkeit. Einfach mehrmals zwischen heißem und kaltem Wasser wechseln. Alternativ kannst Du dir auch ein Kühlpack in den Nacken, auf den Magen, Brust oder Stirn oder unter die Waden legen oder deine Füße und Beine in kaltem Wasser baden. Manchen hilft auch Kaltbaden bzw. -duschen, um den Kreislauf zu regulieren und in Gang zu kriegen. Mich persönlich hast das Kaltbaden ein großes Stück weitergebracht. Am besten beginnt man langsam. Erst die Füße, dann die Beine und weiter hoch bis zur Taille oder sogar zum Hals. Die Wassertemperatur liegt zwischen 15 und 20 Grad, je nachdem wie war das Wetter ist und wie ich mich fühle. In schlimmen Phasen mache ich das morgens uns abends je 15 Minuten bis zur Taille.

Eine Akupressurmatte kann dabei helfen, die Durchblutung in Rücken und Nacken zu fördern. Außerdem kann es schmerzlindernd wirken. Einfach täglich 15 – 45 Minuten drauf legen. Am Anfang kann das sehr ungewohnt und sogar schmerzhaft sein. Dann einfach ein T-Shirt anlassen und die Zeit verkürzen. Mit der Zeit wird es weniger schmerzhaft. Für manche ME/CFS Patienten kann das, besonders in akuten Phasen, zu viel sein. Dann sollte man es lieber sein lassen!

Du kannst dein Bett am Kopfende höher stellen, damit dein Kreislauf nachts auf sanfte Weise trainieren kann, das Blut in die obere Körperhälfte zu pumpen. Das kannst Du machen, indem Du z. B. Holzklötze unter die Beine/ den Rahmen stellst. Achte dabei darauf, dass alles stabil steht. Der Winkel sollte dabei an deine Befindlichkeit angepasst sein, manche Stellen sogar einen Winkel von bis zu 60 Grad ein! Zu Beginn sollte aber ein geringerer Winkel gewählt werden. Alternativ bietet ein verstellbares Krankenbett ebenfalls diese Möglichkeit.

Vermeide Hitze. Hitze erweitert unsere Blutgefäße und verstärkt dadurch die Problematik. Viele Betroffene erleiden eine deutliche Symptomverschlechterung bei warmem Wetter oder heißen Duschen und Bädern. Versuche daher, dich direkter Sonnenstrahlung nicht zu lange auszusetzen und nicht zu heiß zu duschen. Du kannst der Wärme auch mit Schirmen, Hüten, luftiger Kleidung, Ventilatoren oder Klimaanlagen, kühlen Getränken, kalten (Fuß-) Bädern oder Kühlpacks auf Stirn, Nacken und Brust entgegenwirken.

Zusammenfassung

Zusammenfassen ist zu sagen, dass es einige – auch nicht medikamentöse – Möglichkeiten gibt, POTS entgegenzuwirken. Viele davon sind auch mit starken Einschränkungen umzusetzen, manche gar nicht oder nur in abgewandelter Form. Es ist wichtig, sich bei der Therapie an seine eigenen Möglichkeiten und Grenzen zu halten und diese nicht zu überschreiten. Innerhalb der Grenzen ist es maßgebend, den Kreislauf und die Muskulatur von Beinen und Po möglichst wieder in Gang zu kriegen und sanft zu trainieren. Zusätzliche Tipps, wie Kompressionsstrümpfe, Salzkapseln, viel Wasser trinken, Wechselduschen, Hitze meiden und ein hochgestelltes Bett können ebenfalls zu einer Besserung der Symptome beitragen.

Was sind deine Erfahrungen mit POTS? Hast Du noch weitere Tipps für den Umgang mit der Krankheit oder die Linderung der Symptome? Dann freue ich mich über Kommentare, natürlich auch bei Fragen!

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