Selbstorganisation

Selbstorganisation für Gesunde und weniger Gesunde

In diesem Artikel gebe ich Dir allerlei Tipps und Tricks, um Dir Dein Leben mit oder ohne Fibro einfacher und entspannter zu gestalten.

Für mich das größte Problem an meiner chronischen Krankheit und ihrer Unheilbarkeit ist die verminderte Leistungsfähigkeit. Da ich mich bisher vor allem über meine Leistungen definiert habe, nagt das ganz schön an meinem Selbstwert. Zum Thema Selbstwert und worüber wir uns definieren habe ich hier bereits einen Artikel geschrieben.

Eine der häufigsten Fragen, die ich mir in meiner Verzweiflung nach der Diagnose gestellt habe – und zugegeben auch immer noch stelle – ist „Wie soll ich das alles nur schaffen? Wie soll ich mit der wenigen Energie alles erledigen, was es im Leben so zu tun gibt?“ Manchmal erscheint es mir wie ein hoffnungsloser Fall.

In meinen klareren Momenten wird mir allerdings wieder folgendes klar: Müssen tun wir sowieso erst mal gar nichts. Alle Aufgaben und ToDos und damit jeglicher Druck sind im Prinzip selbst gemacht. Natürlich gibt es äußere Faktoren wie Kinder, den Chef oder das Amt. Aber auch da sind wir dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert.

Die Frage ist doch, wie viel wir uns selbst zumuten, weil wir denken, dass es sich so gehört oder das andere es von uns erwarten. Diese Überzeugungen gilt es aufzudecken und zu überprüfen. Alle Vorgaben darüber, wie viele Stunden wir arbeiten sollten, was eine gute Hausfrau und Mutter alles zu tun und zu lassen hat oder wie schnell ein Student sein Studium erledigt haben muss, sind menschengemacht.

Ich finde, dass wir uns selbst nicht so stressen müssen und uns soviel Zeit für die meisten Dinge nehmen können, wie wir brauchen. Es wird keiner umkommen, nur weil wir seit einer Woche die Wohnung nicht gesaugt haben, mit den Hunden oder Kindern heute nur 20 Minuten statt 45 draußen waren oder wir die beste Freundin schon eine Weile nicht angerufen haben.

Prioritäten setzen, effizienter sein

Bei meiner Arbeit als Software Entwicklerin und später als Agile Coach habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Prioritäten zu setzen, um effizienter zu arbeiten. In unserem Fall finde ich das Wort „Effizienz“ etwas zu krass. Im Prinzip wollen wir ja nur einen Weg finden, uns besser zu organisieren.

Dafür gibt es reihenweise Frameworks ( = Systeme), die einem dabei helfen. An solchen Frameworks kann man sich aber nicht nur bei der Arbeit, sondern auch privat wunderbar orientieren.

Selbstorganisation mit Kanban

Am einfachsten und hilfreichsten für den privaten Gebrauch ist meiner Meinung nach Kanban. Ich benutze Kanban schon seit Jahren, sowohl beruflich als auch privat, immer mal wieder, wenn ich das Gefühl habe, mich in der Aufgabenmenge zu verlieren. Dazu habe ich auch ein Video erstellt, welches ich hier demnächst verlinke.

Es geht ganz einfach und kostet fast nichts.

Was Du dafür brauchst:

  • Eine freie Fläche, um etwas aufzuhängen, z. B. Wand, Tür, Tafel
  • Post-it’s oder andere kleine Zettel, die Du an Deiner Fläche aufhängen kannst
  • Marker oder Stifte (Die DIY Stiftebox aus dem Bild findest Du hier!)
  • Ggf. Klebeband oder auch Post-it’s, um drei Bereiche zu teilen

Das Vorgehen ist ziemlich simpel. Zuerst schreibst Du alle Deine ToDos einzeln auf die Klebezettel. Wenn es ein Abgabedatum gibt, z. B. „Rechnung XY, bezahlen bis 03.04.“ schreib das auch gerne mit auf den Zettel. Nimm am besten eine große und gut leserliche Schrift.

Am übersichtlichsten ist es, wenn Du deine Wand (bei mir ist es die Küchentür) in drei Bereiche gliederst und diese kennzeichnest. Die Bereiche sollten bestenfalls vertikal getrennt sein. Diese Bereiche heißen Spalten und jede Spalte bekommt ihre eigene Aufgabe. Von links nach rechts sind das: „ToDo“, „In Arbeit“ und „Erledigt“. Du kannst sie natürlich auch anders benennen, solange die Aufgabe gleich bleibt. Dieser gesamte Bereich ist jetzt dein Kanban-Board. 

Als nächsten Schritt sortierst Du Deine Zettel nach Wichtigkeit bzw. Priorität. Wenn du alle Zettel in einer Reihenfolge hast, klebst Du sie in dieser Reihenfolge in die linke Spalte „ToDo“. 

Die zweite Spalte „In Arbeit“ ist die Spalte, in der sich nur Aufgaben befinden, an denen Du tatsächlich arbeitest. Aber Achtung! Hier gibt es eine wahnsinnig wichtige Regel, ohne die das Kanban-Board nicht gut funktioniert. Diese Spalte hat ein sogenanntes „work in progress Limit (WIP-Limit)“. Zu deutsch also ein „Aufgaben, die in Arbeit sind Limit (AdiAsL)“. Die deutsche Abkürzung habe ich mir gerade ausgedacht, die nutzt keiner, bleiben wir also beim WIP-Limit.

Das WIP-Limit

Das WIP-Limit limitiert die Anzahl Aufgaben, die Du gleichzeitig ausführen darfst. Wozu? Fragt sich jetzt die ein oder andere. Ganz einfach: Je mehr Aufgaben Du gleichzeitig ausführst, desto länger braucht jede einzelne, desto gestresster bist Du und desto weniger gut werden diese Aufgaben ausgeführt.

Wie hoch das WIP-Limit sein muss, damit Du gut damit arbeiten kannst, musst Du selbst ausprobieren. Ich schlage vor, mit zwei, höchstens drei zu starten. Idealerweise landest Du irgendwann bei einem WIP-Limit von eins.

Aufgaben ziehen

Jetzt geht es an die eigentliche Arbeit! Sobald Du Zeit und Energie für eine neue Aufgabe hast, ziehst Du Dir den ersten Zettel aus der „ToDo“ Spalte. Da Du die Zettel sortiert hast, sollte das die Aufgabe mit höchster Priorität sein. Diesen klebst Du jetzt in die zweite Spalte, da die Aufgabe nun in Arbeit ist.

Aufgabe fertig – Belohnung!

Wenn Du mit Deiner Aufgabe fertig bist kommt der Zettel – wer hätte es gedacht – in die „Erledigt“ Spalte. Hier können theoretisch beliebig viele Zettel hängen. Allerdings macht es Sinn, diese Zettel nach einem gewissen Zeitraum zu entfernen. Je nachdem, wie viel Zettel und Platz Du hast, könntest Du den Bereich z. B. wöchentlich leeren.

Das tolle an dieser Spalte ist, dass Du Deinen Erfolg sehen kannst. Zu beobachten, wie sich die rechte Spalte über die Zeit füllt und die einfache Handlung, den Zettel von Spalte zwei in Spalte drei zu hängen, können Glücksgefühle und Stolz auslösen. Das an sich ist schon eine echte Belohnung, tatsächlich kann das unser Belohnungssystem im Hirn aktivieren – hallo Dopamin!

Wenn Dir das nicht reicht, kannst Du dir natürlich noch weitere Belohnung ausdenken. Das kann sowas sein wie: Für jede Aufgabe, die erledigt ist, gibt es ein Stück Schokolade. Oder für 3 weitere erledigte Aufgaben gönne ich mir ein schönes entspannendes Bad.

Retrospektive

In der Software Entwicklung arbeitet man häufig mit Retrospektiven in Verbindung mit Kanban. Um es ganz einfach zu halten bedeutet das für Dich folgendes: 

Es macht Sinn, sich in regelmäßigen Zeitabständen (z. B. wöchentlich) einmal vor das Board zu stellen und die letzte Woche Revue passieren zu lassen. Grund dafür ist zweierlei: Zum einen kannst Du Dich nochmal über deine Erfolge der Woche freuen und sehen, was Du alles geschafft hast. Zum anderen kannst Du überprüfen, welche Aufgaben vielleicht hängen geblieben sind oder nie erledigt werden.

Warum willst Du das wissen? Um herauszufinden, woran das liegt und wie Du das ändern kannst. Vielleicht ist die Aufgabe einfach zu schwierig, um sie allein zu schaffen – frag jemanden um Hilfe! Oder sie ist so groß, dass Du nicht weißt, wo Du anfangen sollst – dann teile die große Aufgabe in mehrere kleine Aufgaben! Oder Du stellst fest, dass diese Aufgabe eigentlich gar nicht wichtig ist – dann lass sie sein!

Aufgaben aufräumen

Anschließend an die Retrospektive kannst Du nochmal durch die „ToDo“ Spalte gehen und aufräumen. Das heißt: Unnötige Aufgaben rausschmeißen und neue Aufgaben hinzufügen. Danach heißt es, neu priorisieren!

Umgang mit ungeplanten Aufgaben

Jetzt denkst Du vielleicht sowas wie „Das geht doch gar nicht, mir kommen ständig neue Aufgaben dazwischen – da kann ich gar nicht planen!“ Ruhig Blut sage ich daraufhin, genau dafür ist Kanban entwickelt worden. Kanban ist eine agile Methode, was so viel bedeutet wie „mit ständigen Veränderungen umgehen können“.

Der Umgang ist ganz einfach: Wenn eine neue Aufgabe reinkommt, muss sie mit auf’s Board. Es sei denn, sie dauert nur 5 Minuten – wir wollen es ja nicht übertreiben! Die neue Aufgabe wird genauso wie alle anderen Aufgaben einpriorisiert. Wenn sie die höchste Priorität hat, müssen ggf. andere Aufgaben aus der zweiten Spalte weichen. Wenn Dein WIP-Limit schon voll ist, muss eine Aufgabe wieder zurück in die „ToDo“ Spalte und die neue Aufgabe kommt in die „In Arbeit“ Spalte. So kannst Du sichergehen, dass Du nicht zu viel auf einmal machst und Du Dich auf die wichtigen Dinge fokussierst.

Alternativen

Alternativ zu einem haptischen Board kannst Du natürlich auch entsprechende Online Anwendungen benutzen. Da fallen mir als kostenfreie Tools Trello und Asana ein.

Eine ähnliche Herangehensweise ohne Board, dafür aber mit Liste bietet „Getting Things Done“ (GTD). Ich selbst habe das noch nie wirklich ausprobiert, habe aber schon viel Positives darüber gehört.

Fazit

Wichtig ist, nicht zu viel auf einmal zu machen. Um von der Aufgabenlast des Alltags nicht überrollt zu werden, ist es wichtig Prioritäten zu setzen und Aufgaben in Ruhe möglichst nacheinander abzuarbeiten. Als Hilfe für die Selbstorganisation können Frameworks wie Kanban oder Getting Things Done dienen.

Wie organisierst Du Dich? Hast Du noch weitere Tipps, wie die Selbstorganisation am besten klappen kann? Ich freue mich auf Dein Feedback!

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